Jetzt stehen wir vor Maria. Schauen Sie sich die Darstellung doch einmal genauer an. Wie wirkt diese Frau auf Sie? Welche Gefühle, Erinnerungen kommen ihnen? Schon immer löste die Madonna bei den Mensche ganz Unterschiedliches aus: Für manche ist sie eine Trostspenderin in der Not ("Gegrüßet seist du Maria..."), andere suchen über sie den Weg zu Jesus, wieder andere regen sich darüber auf, in welcher Weise Maria als Frau dargestellt wird. Maria läßt sich kaum objektiv wahrnehmen. Maria wird wahrscheinlich immer durch die Brille der eigenen Lebenserfahrung wahrgenommen.
Wir wollen Ihnen jetzt drei Seiten von Maria näherbringen: Maria als Mutter, Maria als Frau und Maria als Trauernde, die ihren Sohn verloren hat.
Als Mutter von Jesus hat Maria wohl viele Höhen und Tiefen einer Mutter durchlebt: die Freuden der Geburt eines eigenen Kindes, die Vertreibung und Flucht, die Auseinandersetzungen mit dem heranwachsenden Jesus, das Bangen und Sorgen bei seinem öffentlichen Wirken, bis dahin, dass ihr Sohn von den Mächtigen getötet wird. Vieles wird sie als Mutter intuitiv von ihm verstanden haben. Anderes wird ihr befremdlich geblieben sein. So wie es heute Eltern auch immer wieder bei ihren eigenen Kindern erleben.
Sicher ist es kein Zufall, dass Gott eine junge Frau ausgewählt hat, um ganz Mensch zu werden und mit den Menschen zu leben. Maria, eine junge Frau aus Nazareth, hatte sicherlich eigene Ideen von ihrem Leben. Und dann taucht auf einmal dieser Engel auf, der alles durcheinander bringt. Und Maria nimmt diese ungeheuerliche Herausforderung an und vertraut darauf, dass Gott es mit ihr gut meint. Das Magnificat, ihr großes Danklied, drückt diese Erfahrung aus. Vielleicht würde Maria uns sagen wollen: "Schaut her, ich bin eine junge Frau, selbstbewusst und voller Lebenskraft, und ich will mich auf einen Weg mit Gott einlassen. Ich bin stolz darauf, dass Gott mir so viel zutraut."
Neben dieser Erfahrung von Stärke und Vertrauen steht die unendliche Trauer um den Verlust ihres Sohnes. Wer eigene Kinder hat, kann das Ausmaß dieser Trauer nachempfinden. Es kommt einem so vor, als ob ein Teil von einem selbst weggerissen wurde. Maria lädt uns ein, bei dieser Trauer, bei den Grenzerfahrungen unseres Lebens zu verweilen, sie auszuhalten und sie ausheilen zu lassen. An dieser Stelle könnte Maria uns sagen: "Du darfst traurig sein. Du bist damit nicht allein."
In Maria leuchtet viel von der weiblichen Seite Gottes auf. Gott hat eine kleine Frau ganz groß gemacht, um zu zeigen, für wen sein Herz schlägt. Was jeder von uns in Maria sieht, hängt von unserer Lebensgeschichte und unseren Lebenserfahrungen ab. Vielleicht kommt es auch gar nicht darauf an, wie Maria zu werden. Maria könnte uns jedoch helfen, herauszufinden, was Gott mit uns vorhat.